Tourenbericht Klettern

Sonne, Seil und Schnitzel satt - Alpinklettern selbstständig unterwegs

Der Wolkenbruch zur Vorbesprechung bei der Paul-Horn-Arena setzte zwar ein markantes Zeichen, doch unsere Ausfahrt blieb zum großen Teil verschont vor Niederschlägen. Auf der Rückfahrt erlebten wir sogar ein spektakuläres Schauspiel aus dem Licht des Sonnenuntergangs und dem dunklen Himmel. Ein "Balrog" (Anmerkung der Redaktion: Wer damit nichts anfangen kann - Tolkien lesen oder googeln) brach durch die Wolken über Stuttgart. Und dann war da am letzten Tag noch dieses Gewitter ... aber von vorne.

 

Wie viele andere Touren auch, trafen wir uns am Sportinstitut an einem wunderschönen sonnigen Morgen zum gemeinsamen Start mit einem der komfortablen DAV-Busle. Leicht verspätet ob des "Verlustes" einer Teilnehmerin, die wir noch nachträglich aufsammelten, chauffierte uns Martin Reusch nach Nesselwängle im Tannheimer Tal. Auf dem Beifahrersitz saß unsere zweite Tourbegleiterin Birgit Stefanek und im Fond sechs kletterhungrige Teilnehmer, alle zusammen voller Vorfreude auf die kommenden drei Tage.

Auf dem Parkplatz angekommen, luden die meisten ihre Rucksäcke und restliches Gepäck auf die Materialseilbahn und machten sich auf, die ersten Höhenmeter zu Fuß zurück zu legen. So stieg es sich doch viel leichter zum Gimpelhaus hoch. Um die Mittagszeit oben angekommen, pausierten wir und stärkten uns mit Kaffee und Getränken, denn inzwischen waren nicht nur wir, sondern auch die Temperatur ordentlich gestiegen.

Danach bekamen wir hinter dem Haus an Martins genialem Standplatzbrettle unsere erste Theorieeinheit. Dabei wiederholten wir nicht nur die Seilkommandos, sondern lernten auch die Freuden des Herstellens einer Plaisierschlinge kennen. Jeder, der nicht weiß, wieso diese so heißt, sollte es mal ausprobieren.

Etwa eine Stunde später stiegen wir auf kurzem Wege bereits zu unserer ersten Kletterroute, um das Gelernte sofort in die Tat umzusetzen. In zwei Dreierseilschaften und einer Zweierseilschaft ging es auf den Hochwiesler. Die Route heißt  "Hüttengrat" (UIAA III bis IV, Stelle IV+, fünf Seillängen) und ist für den Anfang äußerst gut geeignet, da man nach jeder Seillänge gut aussteigen kann. Edelweiß wachsen dort übrigens "wie Unkraut".

Bis alle oben waren, dauerte es eine Weile und es wurde bereits nach dem Abendessen gelechzt. Doch es stand uns noch dreimal Abseilen und der Rückmarsch bevor. Beim Abseilen schaute uns eine Herde Gämsen zu. Zurück an der Hütte stürzten wir uns sofort auf das Abendessen, bevor sich die Auswahl durch die fortgeschrittene Uhrzeit laut Speisekarte verringert hätte. Sechs riesige Wiener Schnitzel mit Pommes, Ketchup und Mayo sowie zwei Portionen Schlutzkrapfen wurden bestellt und restlos weggeputzt. Damit ja auch am nächsten Tag die Sonne wieder genauso scheinen sollte.

Nach dem Essen übten wir mit Stirnlampe nochmal den Standplatzbau bis in die Nacht hinein. Sogar später in der Hütte wurden danach noch weiter Halb- und Mastwürfe geknotet. Parallel dazu überlegten wir uns noch, welche Routen wir am kommenden Tag machen könnten und gingen dann in unsere Lagerbetten, um für den kommenden Tag fit zu sein.

 

Der zweite Tag begann für viele mit dem Marmeladenfrühstück. Dabei war uns das Verhältnis der Marmeladenmenge zum Brot doch ziemlich suspekt. Auch das Müsli mit Joghurt wurde ungewöhnlich in einer hohen Kaffeetasse serviert. Dem Geschmack tat dies freilich keinen Abbruch. Lediglich über den Kaffee hätte man meckern können, den wir aber trotzdem "bonierten". Draußen begrüßte uns wieder ein großartiger sonniger alpiner Morgen. Wir stiegen zum Gimpel und trennten uns dort in zwei Gruppen: eine Dreierseilschaft nahm sich die Südostwand (UIAA III+, sieben Seillängen) vor. Eine Zweier- und eine Dreierseilschaft machten sich an die Südwestkamine, an die sich der Westgrat (UIAA IV+, 8 Seillängen) anschließt. Beim Klettern meinte es die Sonne so gut mit uns, dass wir in der Wand brutzelten.

Auf dem Gipfel des Gimpel begrüßten wir uns mit Berg Heil alle wieder. Jede Gruppe brauchte viel mehr Zeit als ursprünglich angedacht und so dachte man, die jeweils anderen wären längst schon oben. Tatsächlich kamen wir nur um ca. 10 Minuten versetzt an. Wir pausierten, aßen unsere wohlverdiente Vesper und genossen die großartige Aussicht, die uns dort geboten wurde (u.a. Schloss Neuschwanstein).

Es folgte ein unerwartet harter Abstieg über den Normalweg, der nochmal an unseren Leistungsreserven zehrte und unsere volle Aufmerksamkeit verlangte. Bevor wir aber zurück zum Gimpelhaus gingen, machten wir noch einen kleinen Abstecher zur Tannheimer Hütte, die unweit entfernt liegt. Dort sagten wir den Salewa-Klettersteig-Gehern aus unserer Sektion “Hallo”.

Bevor wir zum Abendessen schritten, sprangen die meisten noch unter die luxuriösen Duschen, die es im Gimpelhaus hat. Großzügige vier Minuten lang gibt es warmes Wasser. Was für eine wohltuende "Verschwendung"!

 

Der dritte Tag brachte uns erneut zunächst Sonnenschein und schönes Wetter. Doch der Wetterbericht sagte bereits eine Verschlechterung gegen Nachmittag hin voraus. Diesmal brachen wir zum Gimpelvorbau und zur Zwerchwand auf, wo sich die Routen "Morgenstund" und "Till Ann" befinden. Es erwies sich als nützlich, dass die Felswände, in denen sich die beiden Routen befinden, in Sicht- und Rufverbindung zueinander liegen. So wurden Seilkommandos gerne mal über die gegenüber kletternde Seilschaft weitergeleitet. Im Verlauf des Kletterns wurde die Bewölkung dichter und die Temperatur fiel merklich. Von weitem sah man ein Unwetter, das sich immer schneller näherte. Unter Regen, zuckenden Blitzen und donnerndem Grollen schaffte es eine Seilschaft noch zum letzten Stand und konnte über die Abseilpiste herunter, die andere musste den Rückzug über die Route antreten. Zum Glück zog das Unwetter nur vorbei und beruhigte sich nach wenigen Minuten wieder. So hatten wir sogar Gelegenheit gehabt,  auf eine der wichtigsten alpinen Gefahren sensibilisiert zu werden.

Zurück auf der Hütte ließen wir uns bei der Abschlussbesprechung die hausgemachten Germknödel, Apfelstrudel oder Semmelknödelsuppe schmecken. Es folgte noch der Abstieg ins Tal, wo unser Busle stand und uns heil zurück nach Tübingen gebracht hat.

Alle Teilnehmer haben viel gelernt und dabei eine Menge Spaß gehabt. Ein großer Dank geht an unsere beiden Guides, die uns einerseits jederzeit das Gefühl gaben, gut aufgehoben zu sein, anderseits uns motiviert haben, zukünftig selbstständig alpin unterwegs zu sein. Wir sind froh, dass es solche Menschen gibt!

 

Timo Veith

[1] http://img546.imageshack.us/img546/8283/pr01tv.jpg

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Balrog#Balrogs