Tourenbericht

Plaisirskitour am Brenner - 11 aus 13.000

Freitagmittag geht es los, bei einigen mehr oder weniger direkt vom (Homeoffice-)Schreibtisch in den DAV-Bus und ab Richtung Brenner. Den Anreisetag lassen wir mit einem leckeren Abendessen und Kennenlernen ausklingen; schon in den ersten gemeinsamen Stunden ist die Diversität der Teilnehmer zu erkennen: die junge Fraktion mit +/- 30 und die etwas „Älteren“, vorwiegend Ü50, die einen erfahrene Skitourer, die anderen stehen noch am Anfang ihrer Skitourenkarriere. Teilweise kennt man sich (flüchtig) von gemeinsamen Skitouren oder aus der Kletterhalle oder, wie sich im Gespräch herausstellt, weil die Mutter mit der Schwester des anderen Teilnehmers regelmäßig Nordicwalking geht... Ja, Tübingen ist ein Dorf! Doch die Vorfreude auf ein gemeinsames erlebnisreiches Wochenende mit viel Spaß verbindet uns alle.

Plaisirskitourentage waren uns versprochen worden, daher gibt es das reichhaltige Frühstück erst ab 8 Uhr, bei -10° C am Morgen kleben wir dann eine Stunde später auch gerne unsere Felle im gemütlich warmen Skikeller auf die Latten – darin sind wir uns schon mal alle einig. Dann geht’s bei strahlendem Sonnenschein los, erstmal bis zum verschneiten Obernberger See am Ende des Tals und dann stetig bergauf. Was für eine Idylle: Sonne, Schnee. Es glitzert alles so friedlich – aber der Lawinenlagebericht warnt derzeit vor einer heimtückischen Gefahrenlage: Altschneeproblem! Hmmm!! Bevor wir in steileres Gelände aufsteigen, gucken wir uns daher den Schnee genauer an. Das Schneeprofil zeigt uns die Schwachschichten in der Schneedecke: komische krisselige Becherkristalle, die ein perfektes Kugellager für die daraufliegende Schneeschichten bilden. Wenn man das so sieht, erscheint die Gefahr logisch. Wir machen direkt noch einen kleinen Blocktest und dabei zeigt sich – für die einen ist es beruhigend, für die anderen fast schon enttäuschend: Der Schneeblock lässt sich nicht auslösen. Wieder andere sehen das kritisch hinterfragend – bringt uns das jetzt irgendwas für die weitere Tourdurchführung oder sind andere Faktoren ausschlaggebender?

Die Hänge hier sind jedoch kein Geheimtipp, sprich, sie werden den ganzen Winter zerpflügt und stellen in der Regel daher keine große Lawinengefährdung dar. Also ziehen wir unsere Spur zielsicher in Richtung Hirschgrube und Allerleigrubenspitze. Auch hierbei zeigt sich: Die einen sind dankbar, dass jemand voraus eine möglichst angenehme Spur anlegt und sie sich nur auf sich selbst konzentrieren können, andere gehen auch gerne selbst mal vorneweg und suchen den vermeintlich besten Weg. Die Gipfelregionen sind stark abgeblasen, daher ziehen die meisten gerne die Ski aus und legen die letzten Meter zu Fuß zurück., andere tun dies nur ungern. Mit den Skiern in der Hand und dem Wind im Gesicht genießen wir den Ausblick. Über die Allerlei Grubenspitze geht es schließlich weiter und auf uns wartet die erste Abfahrt des Wochenendes. Durch den Flitterwald bahnen wir uns einen Weg im schmalen Korridor zwischen zwei Wildschutzgebieten: Während der eine locker flockig wie ein Häschen zwischen den Bäumen abwärts „hoppelt“, visiert der eine oder die andere vorsichtig die größten Zwischenräume beim Baumslalom an und ist heilfroh, als er/sie nach den letzten beherzten Schwüngen im immer enger werdenden Wald zum Einkehrschwung ansetzt. Ein zufriedenes Prost von allen spiegelt den gelungenen ersten Tourentag wider.

Nach dem Abendessen ist vor der nächsten Tour: Nordseitig oder südseitig, wo findet sich der bessere Schnee? Abfahrt gleich Aufstieg oder bieten sich vielleicht alternativ interessante Abfahrtshänge im oberen Bereich? In zwei kleineren Gruppen oder gemeinsam unterwegs? Man kann über vieles diskutieren, Meinungen muss man zulassen können. Die Entscheidung liegt letztendlich bei der Tourenführung und manches ergibt sich auf Tour anders als geplant!

Wir starten wieder direkt von der Haustür, diesmal in die andere Richtung auf dem Weg zur Fraderalm und dem Fraderstaller oder Niedererberg als Gipfel. Wieder ist es kalt, aber da wir erst ein paar Meter abfahren, fallen uns dann nicht nur die Hände beim Anfellen ab, sondern so manches Fell will auch nicht am kalten Ski haften! Tja, schon ändert sich der Plan: Aus gemeinsam unterwegs werden zwei Gruppen: Die Materialgeschädigten samt Solidarischen und die, „bei denen es halt klappt“. Zweitere gehen schon mal voraus und nutzen die Wartezeit an einer sonnigen Almhütte, um ihr Wissen zur Verschüttetensuche aufzufrischen und um halbwegs spontan die „Nachzügler“ mit einem „Notfall“ zu überraschen: Eine Dachlawine hat einen Schneeschuhgänger verschüttet und eine hysterische, aber ausgekühlte Frau zurückgelassen! Das sorgt erstmal für einigermaßen Chaos und Hektik, aber auch für jede Menge Spaß und im Nachgang für konstruktive Diskussionen und Übungsbedarf bei der LVS-Suche.

Danach kämpfen wir uns gemeinsam durch den Wald bergauf und als wir die Bäume schließlich hinter uns lassen – oh nein, durch die müssen wir auch wieder hinunter! - weht uns ein eisiger Wind um die Ohren. Auch die Harscheisen kommen wieder zum Einsatz und so arbeiten wir uns vor bis auf den Sattel zwischen Niedererberg und Fraderstaller. Gruppendiskussion: Wollen wir auf einen Gipfel, wenn ja, auf welchen oder beide oder lieber gleich abfahren? Dank des eisigen Windes fällt die Diskussion kurz aus: ein Gipfel ja, dann lieber der mit vermeintlich weniger Wind, also Niedererberg, so der Konsens der Gipfelwilligen. Die wenigen anderen reihen sich einmütig ein. Einmal kurz am Gipfelkreuz abklatschen und dann wieder runter in geschütztere Lagen. Trotzdem müssen wir beim Abfellen unser Material gut festhalten und an eine Pause ist dort nicht zu denken. So fahren wir erstmal ein paar Meter runter – Abfahrt gleich Aufstieg, denn in den freien Hängen hat der Wind ganze Arbeit geleistet: Abgeblasen hier, fette Triebschneepakete dort! Beim Aufstieg hatten wir schon ein sonniges und windgeschütztes Plätzchen an einer alten Hütte für unser Vesper ausgemacht; während die einen noch Müsliriegel und Schokolade futtern, testen andere nochmal verschiedene LVS-Geräte und schließlich rutschen wir gemeinsam durch den Wald talwärts, mit gegenseitiger Unterstützung kommen wir alle gut durch. Der schmale Weg am Bach entlang bis ins Obernberger Tal erfordert nochmal volle Aufmerksamkeit. Das gemeinsame „After -Tour-Bier“ lässt die erlebten Widrigkeiten „schrumpfen“ und gemeinsam freuen wir uns über den erfolgreichen Tag.

Nach zwei eher nordseitig ausgerichteten Touren mit mäßiger Schneequalität geben wir an unserem letzten Tourentag der „südseitigen“ Fraktion nach, die uns mit „vielleicht Auffirnen“ überzeugen will. Während sich die einen über den entspannten Aufstieg über einen Forstweg ohne Harscheisen und Spitzkehren freuen, können es die anderen kaum erwarten, nach der Kastenalm endlich über freie Hänge ihre eigene Spur ins Gelände Richtung Muttejoch zu legen. Der unschwere Aufstieg, die Sonne, herrliche Ausblicke und kein Wind (!) lassen den Aufstieg eigentlich zum Genuss werden. Während die einen entspannt, fast schon meditativ, die Ski durch den Schnee gleiten lassen, kämpfen andere mit ihren Kräften. Wieder andere drängen stürmisch kraftvoll den Berg hinauf, um dann unvermittelt einen Fotostop einzulegen, bevor sie erlebnishungrig weiter hechten. Und wie sich auch schon die letzen Tage herausstellte, sind da noch die Wissbegierigen, die neugierig die beste Tourauswahl und sicherste Spuranlage erfragen. Und die Selbstzufriedenen, die einfach das Hier und Jetzt genießen und sich vertrauensvoll der Tourenleitung anvertrauen, oder auch die, die sich dank ihres Wissens und ihrer Erfahrung gerne in der Tourenleitung miteinbringen und unterwegs auch mal ihre eigene Spur ziehen, anderen aber auch gern mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Die fortschreitende Zeit und die nachlassende Kondition sind dann leider begrenzende Faktoren, die zur Umkehr mahnen. Wir machen noch eine Pause in der Sonne und werden schließlich mit einer schönen Abfahrt belohnt. Kaum ein Baum behindert das Freie Schwingen. Auch wenn die Beine am dritten Tag schon etwas schwer sind, kommen wir voll auf unsere Kosten und stemmschwingen uns zurück über die Kastenalm bis nach Obernberg. Bevor wir in die Autos steigen, gibt es noch die übliche Abschlussrunde und wir sehen in viele glückliche Gesichter. Birgit und Konrad haben uns souverän durch das Wochenende begleitet, immer eine Abfahrt durch Hänge und Wälder gefunden und die Gruppe zusammengehalten, trotz aller Unterschiedlichkeit und Ansprüche. Bevor wir zurück nach Tübingen fahren, fasst ein Kommentar aus der Feedbackrunde das Wochenende sehr passend zusammen: Es ist doch erstaunlich, wie man elf aus 13.000 DAV-Mitgliedern für ein Wochenende zusammensteckt und es so gut funktioniert…

 

Text: Beate Schreiner und Ina Hennen