Tourenbericht Wandern

Elysium, Käsenbachtal

am 08.07.2021

Corona und kein Ende.

Auch im neuen Jahre können leider vorerst keine Seniorenwanderungen stattfinden. Umso dankbarer blicken wir ins Jahr 2021 zurück, in dem wir nach langer Durststrecke wenigstens von Juli bis November gewohnte Wanderungen mit kleinerem Radius durchführen konnten. So entdeckten wir das nahe Umfeld neu: Das Elysium, den Österberg, Wurmlingen Kapellenweg, Hagelloch Birnenweg, Pfrondorf.

Seniorenwandergruppe

Unsere Juliwanderung führte uns vom Treffpunkt Kunsthalle durch das Käsenbachtal über den Stadtfriedhof zurück in die Stadt.

Das markante Marmordenkmal für die Schriftstellerin Utta Keppler markiert in gewisser Weise das Entree in das idyllische Käsenbachtal. Das Wäldchen, das wir nun betreten, wurde von den Dichtern der Romantik als „ihr Elysium (= Inseln der Seligen)“ besungen. Wir wandern talabwärts und begreifen Ludwig Uhland, wenn er reimt:

„Nie erschöpf ich diese Wege,

Nie ergründ ich dieses Tal,

Und die altbetretnen Stege

Rühren neu mich jedesmal.“

Ottilie Wildermuth schwärmte ebenfalls von diesem Tal, das früher auch von Studenten wohl nicht nur zur geistigen Inspiration erwandert wurde.

Nach kurzer Zeit erreichen wir den „Geographischen Mittelpunkt Baden – Württembergs“, der 1980 vom Stuttgarter Landesvermessungsamt berechnet wurde. Eine drei Tonnen schwere Skulptur aus Muschelkalk aus dem fränkischen Jura markiert hier die Lage Tübingens am „Nabel der Welt“. Sie wurde 1986 aufgestellt: Ein Kegel im Steinkreis mit einer Kippung der Hälfte der Erdachsenneigung. Eine Infotafel erläutert Skulptur und Geologie des Ortes.

Beim weiteren Abstieg passieren wir einen im Taldickicht verborgenen Wasserfall, der sich von einer harten Kieselsandsteinbank aus etwa acht Meter tief in die Bunten Mergel einschneidet. Nur bei entsprechender Wasserschüttung macht sich hier der Käsenbach akustisch bemerkbar.

Der Charakter des Tales ändert sich. Am Ursrainerhang sind Trockenmauern aus Stubensandstein, zum Teil aufgelassene alte Weingärtnerhäuschen und das noch genutzte Weinzehnthäuschen Zeugen des von alters her bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hier betriebenen Weinbaus. Dann trat Streuobstbewirtschaftung an die Stelle des Weinbaus. Die Parzellen sind gegenwärtig in ganz unterschiedlichem Zustand, der Wald hat schon jetzt etliche von ihnen zurückerobert.

Am Nordwesthang auf der Sarchhalde wurde im 19. Jahrhundert Hopfen angebaut. Eine Bürgerinitiative rettete sie kürzlich mittelfristig vor einer geplanten Überbauung durch das Klinikum der Universität.

Sowohl der Ursrain am linken Ufer des Käsenbachs als auch die Maderhalde werden teilweise als Kleingärten genutzt. Verwildert bieten sie geschützten Tierarten Lebensraum.

Der aus zwei Quellen gespeiste, von uns begleitete Käsenbach verschwindet jetzt am Breiten Weg in einer Dole. Sein weiterer unterirdischer Weg – besonders der von der Westspitze des Stadtfriedhofs bis zu seiner Mündung hinter der Universitätsbibliothek in die Ammer – ist aus den zugänglichen Quellen nicht klar ersichtlich.

Wir haben das Stadtgebiet erreicht und folgen zunächst der Gmelinstraße und dann der Käsenbachstraße zum Stadtfriedhof, der 1829 an dem „weit abgerückten, stillen Hang am Käsenbach unterhalb der Viehweidlen“ angelegt wurde.

Seither bezeugen hier schlichte Steine und Skulpturen das „Auf und Ab in Tübingens Sozialgeschichte“.

Walter Jens merkt in seinem Geleitwort zu Hornbogens „Der Tübinger Stadtfriedhof“ an: „Anders als auf den Gottesäckern der Brüdergemeine, zwischen Herrnhut, Neudietendorf und Königsfeld, sind Große und Kleine voneinander getrennt. Statt Uniformität im Tode, durch schlichte Platten markiert, präsentiert sich Lebens-Höhe auch im Tode. Hier, zwischen Wildermuth- und Gmelinstraße, geht es um Rangordnungen.“

Eine halbe Stunde lang verliert sich die Gruppe auf dem „kleinen Friedhof mitten in Tübingen“.

Der gemeinsame gastronomische Ausklang wird nachdenklich heiter.

Text: Hans Vöhringer