Tourenbericht

Sentiero Alpino Calanca

P1270240 Der Titel der im DAV Tourenprogramm angebotenen Viertages-Tour machte mich neugierig. Die weitere Beschreibung im Programm klang verheißungsvoll. Also Karten wälzen und überhaupt erst einmal nachschauen, wo das eigentlich ist. Vom Calanca-Gebiet hatte ich nämlich noch nie etwas gehört. Eigentlich verwunderlich. Jeder, der über den San-Bernardino-Pass in den Süden fährt, kommt da schließlich direkt vorbei. Ja vorbei, das ist es eben. Kaum jemand nimmt wahr, an welch attraktivem Bergstock er da entlang fährt.

Bekannt ist die Region tatsächlich nicht. Das Calancatal ist eine wilde und noch sehr unberührte Landschaft, und die Almen in den umliegenden Bergen sind nicht mehr bewirtschaftet. Man findet unterwegs lediglich verfallene Mauerreste von ehemaligen Almen. Und der Schweizer Alpen-Club (SAC) hat diesen Teil Graubündens bei der Erschließung der Alpen durch Hütten und Wege ausgespart. Keine einzige SAC-Hütte ist dort zu finden.

 

Also machten wir (Karl, Eva, Gunda, Elisabeth, Franz, Hans, Thomas, Peter) uns auf den Weg. Mit einem DAV-Busle, das Gunda dankenswerterweise noch organisieren konnte, schauten wir in der berühmten Kirche in Zillis vorbei, betrachteten die Deckengemälde und kamen bald an unserem Startpunkt in San Bernardino an. Dort begann unser Weg, der uns zunächst zum Rifugio Pian Grand führte. In herrlicher Aussichtslage zwei kleine Hütten, die maximal 18 Personen Platz bieten. Für Selbstversorger prima ausgestattet mit Gaskocher, Geschirr, Wasser. Hier zeigte sich, was sich bereits bei der Vorbesprechung angekündigt hatte: ich war mit Genießern unterwegs. Statt für den Anstieg auf maximale Kalorienzahl bei minimalem Gewicht zu achten, stand ein beachtliches Essen auf dem Tisch: Maultaschen mit Kartoffelsalat inclusive Nachtisch. Dass dann Franz auch plötzlich noch Rotwein und Hans sogar den Grappa für den Abschluss aus dem Rucksack zauberten, war echt fein. Und wie sollte es am nächsten Tag weitergehen? Draußen stürmte und regnete es, aber der Wetterbericht meldete Besserung. Und tatsächlich: Bei blauem Himmel machten wir uns auf die nächste Etappe. Acht Stunden Gehzeit waren angesagt, also zügig los!

Wir fanden sehr gut gepflegte Wege, perfekte Markierung und Beschilderung vor. Und das, obwohl der SAC dieses Gebiet nicht erschlossen hatte. Da lohnt es sich, ein wenig auszuholen: Dass es hier inzwischen Wege und Hütten gibt, ist dem Idealismus und der Beharrlichkeit eines einzelnen Mannes zu verdanken. Wilfried Graf aus Binningen BL kaufte 1973 in Selma ein Ferienhaus und durchstreifte mit seiner Familie in den folgenden Jahren die Berge des Calancatals. Da die Wege kaum mehr zu finden waren, machte er sich mit internationalen Schüler- und Studentengruppen an die Arbeit. Durch die Gründung eines Vereins war dann in den Achzigern der Bau der Buffalora-Hütte und einiger Biwakhütten möglich.

 

So gingen wir auf sehr abwechslungsreichen Wegen durch ein wildromantisches Bergmassiv mit herrlichen Blicken wie zum Beispiel hinein ins Wallis mit seinen Viertausendern. Die Wege auf dem Sentiero-Calanca sind gut begehbar, an einigen Stellen gibt es zur Absicherung Ketten, Treppen und Leitern. Alles sehr gut abgesichert, aber Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind gefragt. Dann gibt es aber auch schöne Seen, wie den Herz’les See. Der heißt eigentlich Lagh de Calvaresc, sieht aber vom Abstieg her aus wie ein Herz. Für einige von uns war das die Einladung zu einem erfrischenden Bad. Schließlich kamen wir dann auch an der Buffalora-Hütte an, der einzigen bewirtschafteten Hütte im Calanca-Gebiet. Auch hier ist wieder der lokale Verein Associazione Sentieri Alpini Calanca (ASAC) der Träger, und die Hüttenwirte sind Vereinsmitglieder, die jeweils in ihrem Urlaub die Hütte betreuen. Beeindruckend! Der Empfang war überaus gastfreundlich und das Essen exzellent. Fast schade, dass wir am nächsten Morgen weiter gingen. Aber auch die nächste Etappe war wieder so reizvoll und bescherte uns tolle Erlebnisse. Außer Gämsen, einem Adler und Steinböcken gab es allerlei am Wegesrand zu beobachten. Gunda und Franz haben sich dann noch einen zusätzlichen Gipfel, den Nomnom, gegönnt. Den Erzählungen nach, war das super schön. Am Abend stand mit der Alp di Fora wieder eine Selbstversorgerhütte auf dem Plan. Dieses Mal war die Etappe nicht ganz so lang, und wir konnten an der Alp den Restnachmittag in der Sonne genießen. Nach dem köstlichen Essen aus unseren Rucksäcken und einem genüsslichen Abend mit Sternbeobachtung ging ein erlebnisreicher Tag zu Ende.

 

Es sollte noch der Abstieg ins Tal folgen, denn am nächsten Tag rief für einige schon wieder die Arbeit. Nach zwei Tagen mit perfektem Wetter gab es heute ergiebigen Regen, so machten wir jetzt den ultimativen Test für alle Arten von Regenschutz. Es war alles dabei: einfache Regenjacke, betagte high-tec-Hardshelljacke, brandneue Hardshelljacke, Poncho oder Karl nur im T-Shirt. Ergebnis: alle waren nass bis auf die Haut. Fazit: Karl hatte im Tal am wenigsten nasse Klamotten wegzupacken. Wieder was gelernt!

 

Mit trockenem T-Shirt und nach zwei Runden Cappuccino in der Kneipe in Santa Maria in Calanca brachte uns der Linienbus über Crono im Misox-Tal zurück nach San Bernardino zum DAV-Busle.

 

Eine rundherum gelungene Tour. Schon in der Vorbesprechung sagte Karl: „Die Tatsache, dass ich die Tour nach 17 Jahren noch einmal gehen will, sagt Euch, dass es eine tolle Tour ist“. Stimmt, Karl! Dir vielen herzlichen Dank für die Idee, die Vorbereitung, und dass Du uns mitgenommen hast!

 

Text: Peter Brauchle
Fotos: Gunda Wolf, Peter Brauchle

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