Tourenbericht

"All you can climb" hält was es verspricht!

“Es ist einfach zutiefst sinnvoll, hier zu klettern” - Felix 

Am frühen Morgen des 27. August 2022 machen sich 3 Busse aus Tübingen auf den Weg in die französischen Alpen. 20 Teilnehmer:innen, 10 Trainer:innen und 3 Kinder freuen sich auf 9 Tage intensiven und abwechslungsreichen Klettergenusses. 

 

Zwischen Grenoble und Turin geht es rauf in die Berge, bis in den hintersten Kessel nach Ailefroide. Ein weitläufiger Campingplatz im Wald, ein paar Läden und Berge zu allen Seiten. Der Zustieg vom Zelt zu den Wänden dauert zwischen 10 und 30 Minuten - ein Klettertraum. Der Ort hat neben Mehrseillängen auch mehrere Sportkletter- und Bouldergebiete, einen Klettersteig in der Klamm, Wanderungen in Richtung Gletscher und schönste Alpennatur zu bieten. Wer von den rauen Granitplatten genug hat, kann zum Sportklettern an die nicht weit entfernten Quarzitwände fahren. 

 

Gleich am ersten Abend geht es los: Das Programm für den nächsten Tag wird vorgestellt. Es kann zwischen einem Mehrseillängen-Crashkurs, Sportklettern und Bouldern gewählt werden. Jeden Abend berichten die Kleingruppen kurz von ihrem Tag, die Wünsche der Teilnehmer:innen werden gesammelt und der Plan für den nächsten Tag wird präsentiert. Die vielseitigen und hochmotivierten Trainer:innen vermögen es täglich neu, auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen, bis hin zu einem “Was, wenn in Mehrseillängen etwas passiert?”-Kurs am letzten Tag. Bei diesem täglichen Wunschkonzert vermögen auch regelmäßige Abendschauer die Stimmung nicht zu trüben. Obwohl viele Untergruppen schon vorherige Bekanntschaften teilen, durchmischt sich die große Gruppe immer wieder neu, und so entsteht eine familiäre Atmosphäre an der Abendtafel unter Tarps, bei erstaunlich üppigen Abendessen, die von wechselnden Teilnehmer:innen-Gruppen gekocht werden. Von Studierenden bis jungen Familien ist die Gruppe eine wilde, höchst zufriedene Mischung. 

 

Das breite Angebot und der überragende Betreuungsschlüssel haben es uns erlaubt, zugleich eine Einführung in Mehrseillängen, Festigen des Erlernten in ersten Touren, Feinschliff der Sportklettertechnik und einige schöne Boulder mitzunehmen. Für uns war es die Chance auf eine unvergleichlich intensive und vielfältige Kletterwoche in bester Gesellschaft. Selbst wer sich vornimmt, nicht hoch hinauszusteigen, wird das vor Ort sicher kaum durchhalten. Der Ort bleibt im nächsten Jahr jedenfalls der gleiche. Selbst wenn der Kurs von begeisterten Wiederholungstätern ausgebucht werden sollte, bietet uns Ailefroide noch mehr als genug ungesehene Routen. 

Der Testlauf für dieses neue Kurskonzept war ein voller Erfolg. Die Neuauflage in diesem Jahr soll noch etwas fine-tuning erhalten. Mehrseillängenerfahrung ist zu empfehlen, aber kein Muss. 

 

Sportklettern an Quarzitwänden 

Nach einigen aufreibenden Tagen an langen Granitplatten gönnen sich zwei DAV-Busse voller Teilnehmer:innen und Trainer:innen etwas Abwechslung an Quarzitgestein am Roche Baron bei Prelles. Hier wartet eine große Auswahl an Sportkletterrouten mit griffigen, aber scharfen Quarzkristallen. Die Entspannten können hier einfach die vielseitigen Routen genießen; für die Ambitionierten bieten Sina, Matze und Florian an, mit Sturztraining, Videoanalyse und Projektieren die individuellen Limitationen zu reduzieren, die uns alle noch daran hindern 9c vorzusteigen. Am Ende des Tages haben alle etwas gelernt, andere Muskelgruppen beansprucht, und alle steigen am nächsten Tag erfrischt in eine neue Mehrseillänge ein oder lernen an den Granitplatten der Sportrouten der “Ecole d' Escalade” direkt am Zeltplatz, ihren Tritten zu vertrauen.  

 

 Mehrseillängen-Refresher in zwei Klassikern 

Zum Aufwärmen für alle mit Mehrseillängenerfahrung ging es in die zwei Klassiker “Chaud Biz” (5c, 5b+ obl.) und “Two Hot Men” (6a, 5c obl.), welche wie fast alle Klettergebiete in Ailefroide nur 10 Minuten vom Campingplatz entfernt sind. Die Routen hatten wunderschöne Kletterei zu bieten, wobei von Platte zu athletischem Überhang alles dabei war. Letzteren hatte dabei unser Trainer Moritz mit seiner von nichts aus der Ruhe zu bringenden Technik überwunden, sodass wir im Nachstieg ein leichtes Spiel hatten. 

Gut vorbereitet durch den Mehrseillängencrashkurs ging es am nächsten Tag dann auch für alle, die vor der Ausfahrt wenig oder keine Mehrseillängenerfahrung hatten, in die Wand, um das Gelernte direkt umzusetzen. Die Trainer:innen organisierten einen durchaus realistischen ersten Tag in der Mehrseillänge mit einer langen Pause hinter anderen Seilschaften mit Seilproblemen. 

In den darauffolgenden Tagen haben unsere Trainer:innen dann noch ein weiteres erstklassiges Programm organisiert mit Touren auf eine Formation, die etwas von Haifischzähnen hatte, und dem herausstechenden Grat Palavar-les-Flots, auf dem man die Pyramide vom Tal in die Höhe erklimmt. 

 

Bouldern um den Campingplatz 

Was ist das Schönste in Ailefroide? Wer genug von Seil, Exen und Co hat, der schnappt sich ein Crashpad, sowie ein paar motivierte Mitstreiter:innen und zieht los in die Wälder rund um das 430-Seelen-Dorf. Einen kurzen Fußmarsch vom Dorf entfernt liegt das Bouldergebiet “Philemon”, das rund 50 Boulder in verschiedenen Schwierigkeitsstufen bietet. Mit Hochmut und voller Tatendrang werden die ersten Boulder begutachtet und schon der ein oder andere Zug ausgetüftelt. Doch eines wird schnell klar: Ein blauer Boulder im B12 hat mit einer 5b in Ailefroide wenig zu tun. Außerdem werden Stimmen laut, die sich sehnlichst den “weichen” Sandboden von Fontainebleau wünschen, da sich das Platzieren von Crashpads auf dem felsigen Untergrund des “Philemon” als äußerst schwierig erweist. Allerdings sollte uns das nicht davon abhalten zu klettern, bis im wahrsten Sinne des Wortes die Finger glühen. Außerdem wird schnell Bekanntschaft mit anderen Boulder:innen gemacht: geteiltes Leid ist halbes Leid, wie wahr! Doch hieße die Veranstaltung nicht “All you can Climb”, hätten wir nur ein Bouldergebiet ausprobiert. Am vorletzten Tag ging es für eine weitere Gruppe ins Gebiet Les Cahutes, eine Steinwüste, die einige schöne und sehr viele knifflige Boulder bereithält, von denen viele mit Bravour gemeistert wurden und somit das ein oder andere Projekt abgehakt werden konnte! Unser Fazit zum Bouldern in Ailefroide: es macht Spaß! Allerdings sollte man Spaß am Tüfteln haben (viele Boulder erschließen sich auch nicht nach wiederholtem Ausbouldern) sowie viele Crashpads (das Thema mit dem Untergrund hatten wir ja bereits ;) ) und vor allem viel Haut (davon braucht man sehr, sehr viel) mitbringen. Dann steht einem tollen Bouldertag aber nichts mehr im Weg! 

 

Text: Moritz Haas, Raphael Zöller, Sebastian Bischoff 

Bilder: Carolin Schmidtblaicher, Felix Fröhlich, Lisa Dussling, Katharina Häußler, Morris Brodt, Sebastian Bischoff